Ginger und Lucy
Liebe Frau Maucolin,
Uns dreien geht es miteinander richtig gut und ich denke, dass die beiden das auch so sagen würden. Es ist wunderschön, mit Ginger und Lucy zu leben. Sie haben sich zu fröhlichen Kätzchen entwickelt, genießen ihre kleine Welt, fangen inzwischen auch an zu spielen und rumzustöbern und sich für alles mögliche zu interessieren, nutzen den sechs Meter langen Flur und die sich an den beiden Enden anschließenden Räume als Rennstrecke, haben gelernt, dass sich ein Katzenleben nicht ausschließlich auf dem Boden abspielen muss und dass es weder räumliche noch sonstige Einschränkungen gibt.
Für Ginger ist inzwischen all dies selbstverständlich, sie spricht sehr viel und fordert auch lautstark ab, wenn sie etwas möchte bzw. beschwert sich, wenn ihr irgendetwas nicht passt. Sie ist sehr lebendig, unternehmungslustig und furchtlos (außer bei Gewitter ….)
Lucy, so habe ich den Eindruck, traut dem Frieden (noch) nicht so ganz. Sie hat sich mit der Veränderung am schwersten getan. In den ersten Wochen schlief sie viel. Sie wirkte auf mich, als sei sie innerlich sehr erschöpft. Lucy hat etwas unglaublich anrührendes. Da sie ja nicht spricht, steht sie vor mir oder läuft (bzw. meistens rennt sie) auf mich zu, schaut mich mit ihren großen Augen an und macht ein Zitterschwänzchen.
Sie nahm sich anfangs sehr zurück, ist absolut genügsam, dankbar für jegliche Aufmerksamkeit und Zuwendung und froh über jede Möglichkeit, die sie für sich sieht. Sie ist in vielen Dingen noch sehr zögerlich und vorsichtig, hat aber gerade während der letzten Tage riesige „Entwicklungsschritte" gemacht, wirkt zunehmend freier und sicherer.
Eine für sie zum Beispiel ganz typische Situation: Auf meinem Bett lag eine zusammengefaltete herrlich weiche und kuschelige Decke. Sie läuft auf dem Bett herum, registriert die Decke, schaut sie sich auch an, aber betritt sie nicht – sie läuft stets um die Decke herum. Ich setze mich zu ihr und erkläre ihr, dass es in Ordnung ist, wenn Sie die Decke benutzt. Sie schaut mich an, dann die Decke, dann wieder zu mir, hebt vorsichtig ein Pfötchen und berührt sie, nimmt das Pfötchen zurück und schaut mich wieder an. Irgendwann traut sie sich dann und stellt sich mit allen vier Pfoten drauf, schaut wieder zu mir, ich rede ihr gut zu, sie bleibt auf der Decke stehen, tretelt und schnurrt eine ganze Weile und legt sich dann darauf nieder. Danach muss ich sie allerdings ignorieren. Sobald ich sie im Vorbeigehen streichle oder sie registriert, dass ich zu ihr hinsehe, steht sie sofort auf und geht weg.
Ähnliche Situationen hatte ich anfangs mit beiden Tieren. Sofern Sie irgendwo erhöht saßen, und sei es auf ihren eigenen Kratzbäumen, und ich auch nur in der Tür stand, sprangen sie herunter. Ich habe sie dann einfach völlig ignoriert und jeden Blickkontakt vermieden. Inzwischen ist das „oben sitzen" eine Selbstverständlichkeit geworden.
ch denke, dass langsam aber sicher die neuen Erfahrungen, die Lucy nun nach und nach macht, greifen werden. Hier wird wohl auch Ginger sehr viel dazu beitragen können, die sich ja inzwischen selbstbewusst und sicher überallhin bewegt und diese Sicherheit wird sich auch auf Lucy übertragen.
Ich würde ihr gerne sagen, dass die Zeit (in ihrem doch erst so kurzen dreijährigen Leben) als kleiner Wanderpokal (von ? nach Fulda / Fulda – Speckweg / Speckweg – Vermittlung / Vermittlung – Speckweg / Speckweg – zu mir) nun vorbei ist, aber das wird sie schon noch merken …
Ganz liebe Grüße